Julia Lacherstorfer, (1985*, Bad Hall)

Schon früh erfährt Julia Lacherstorfer Musik in ihren mannigfaltigsten Ausprägungen des Alltäglichen: seltsam anmutende Klänge wie das Schnarren der Drehleier des Vaters, das Klackern des Spinnrades der Mutter oder das aus dem Obergeschoß dringende Akkordeonspiel des Großvaters zu vertrauten Klängen und Geräuschen, die Julias Kinderohren prägen und schließlich den Weg für ihre erfolgreiche Karriere als Musikerin ebnen. Bis heute schöpft Julia Lacherstorfer Kraft und Inspiration aus diesen musikalischen Erfahrungen, ohne dabei den Sinn für Gegenwärtiges zu verlieren. Als Komponistin, Performerin (ALMA, Ramsch & Rosen, Spinnerin, Nachbarin) und Intendantin der wellenklænge, Lunz am See setzt sie sich für Gleichstellung ein, und ist aus der österreichischen Musikszene längst nicht mehr wegzudenken.
2018 hat sie die Schallwellen-Musikwerkstatt und 2025 das Nachbarschaftsorchester gegründet, in denen sie seither ihre Vision von kreativem Ausdruck und spielerischem Musizieren pädagogisch weitergeben kann. Neben ihrer kompositorischen Arbeit für ihre eigenen Projekte schreibt sie außerdem Auftragskompositionen für die Company of Music, die ECHO-Rising Stars des simply quartets, CrossNova, die Pforte oder das Orchester der Musikschule Linz.

Simon Zöchbauer, (1988*, Herzogenburg)

Simon Zöchbauer ist Komponist, Trompeter und künstlerischer Forscher.
Mit Neugier und Tiefgang erkundet er musikalische Landschaften, gräbt nach kulturellen Wurzeln und verbindet Vergangenheit mit Gegenwart. Seine Leidenschaft für die Trompete entdeckte er als Kind, inspiriert von einer vorbeiziehenden Brass-Band in New Orleans.
Geboren 1988 in Herzogenburg, führt ihn sein Weg über ein preisgekröntes Jugenddebüt (1. Preis bei Prima La Musica 2003) zum Trompetenstudium an der Anton-Bruckner-Universität in Linz und an der Musikuniversität Wien. Neben klassischer Musik widmet er sich besonders der Weiterentwicklung traditioneller Klänge.
Mit dem international gefeierten Ensemble Federspiel, das Bühnen wie die Elbphilharmonie oder den Wiener Musikverein bespielt, verfolgt Zöchbauer eine tiefergehende Auseinandersetzung mit musikalischem Erbe. In seinem Soloprojekt und dem Album „Achad” (2019) öffnet er seine Klangwelt für sakrale, elektronische und zeitgenössische Einflüsse.
Seit 2018 ist er Intendant des Festivals wellenklænge in Lunz am See, gemeinsam mit seiner Frau Julia Lacherstorfer. Simon Zöchbauer versteht Musik als schöpferischen Raum, in dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft begegnen können.

Interviews & Rezensionen

SIMON ZÖCHBAUER und JULIA LACHERSTORFER betreiben neben ihren größeren Formationen FEDERSPIEL und ALMA das Duo-Projekt RAMSCH & ROSEN. Auf ihrer neuen gemeinsamen CD interpretieren die beiden traditionelle Volksmusikstücke von Österreich bis Skandinavien, außerdem spielen sie Eigenkompositionen und Bela Bartók. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählen RAMSCH & ROSEN wie sie traditionelle Stücke aufspüren und warum es auf der CD „Bergen“ auch einen Bezug zu Indien gibt.

Wie erleben Sie die Bandzusammenarbeit im Duo Ramsch & Rosen?

Simon Zöchbauer: Mit Julia Musik zu machen, ist sehr intim, ich habe das Gefühl, dass wir beim Musikmachen ganz oft auf eine gemeinsame Schwingung kommen. Wir schwingen uns miteinander ein und das geht gerade im Duo sehr schnell. Das haben wir ganz stark, wenn wir gemeinsam singen.

Wie läuft Ihre Zusammenarbeit bei neuen Stücken?

Simon Zöchbauer: Das ist eine Mischung, entweder bringt jemand ein arrangiertes Stück, also entweder Julia arrangiert ein Stück oder ich arrangiere ein Stück. Einer bereitet etwas vor und wir bearbeiten es dann gemeinsam. Oder wir nehmen ein Stück her und schauen ohne Vorbereitung, was dabei herauskommt.

Wie sehen Sie die Bandarbeit?

Julia Lacherstorfer: Mit Simon zu arbeiten ist super, weil wir beide sehr hohe Ansprüche haben. Wir sind uns stilistisch einig und Simon ist jemand, der sehr fokussiert und konzentriert arbeitet und das mag ich auch gerne. Wenn ich etwas mitbringe, was ich arrangiert habe, dann gibt es immer eine Mitsprache für den anderen und der Feinschliff eines Stückes kann nur gemeinsam entstehen. Ich weiß auch, dass ich mich auf ihn beim Konzert verlassen kann und das ist ein gutes Gefühl.

Sie haben gesagt, dass Sie beide hohe Ansprüche haben. Worauf achten Sie genau?

Julia Lacherstorfer: In der Live-Situation geht es natürlich um die Intonation und um den Klang. Dass die einzelnen Instrumente gut zusammen klingen und dass es insgesamt viele Details und große Dynamikunterschiede gibt. Gerade weil wir nur zu zweit sind, legen wir ganz viel Wert auf Feinheiten, die wir für uns auch immer wieder neu aufwärmen. Routine ist natürlich gut, weil sie eine gewisse Qualität bringt, aber man sollte sich nicht darauf ausruhen, dass man ein Stück eh schon kann, sondern: Man sollte sich immer wieder neu erfinden.

Der Großteil der Lieder auf der CD „Bergen“ sind Traditionals. Wie haben Sie diese Stücke gefunden?

Julia Lacherstorfer: Das ist ganz unterschiedlich. Oft habe ich das Gefühl, ich zapfe einfach meinen inneren Fundus an, das sind dann Stücke, die ich in der Kindheit mit meinem Opa gesungen habe. Oder es sind Stücke, die ich irgendwo aufgeschnappt habe und ich weiß einfach: Wenn wir beide diese Stücke machen, klingt das so, dass ich das Gefühl habe, es ist nicht das Aufwärmen von einem alten Gulasch, sondern eine neue Speise. Manchmal geht Simon ins Archiv und holt etwas. Und es gibt auch ein Stück aus einer anderen Volksmusiktradition, aus Schweden.

Wenn es sich um ein Stück handelt, dass Ihr Großvater gesungen hat: Ist das dann ein Lied, das innerhalb der Familie weiter gegeben wird oder ist das nicht so speziell?

Julia Lacherstorfer: Mein Opa hat schon eher die Stücke gesungen, die eigentlich Standards sind. Wir haben zuhause das große rote Liederbuch von Gerlinde Haid gehabt und das haben wir mit ihm von vorne bis hinten durch gesungen. Der Opa war kein Spezialist für vergessenes Liedgut, sondern er war auch Wirt und hat ganz oft in der Gaststube gespielt und Lieder angestimmt, bei denen alle mitsingen können.

Die CD „Bergen“ beinhaltet das Stück „Die lustige Bäuerin“ und es klingt für mich als hätten Sie sich dabei musikalisch in Richtung Indien geöffnet. Stimmt das?

Simon Zöchbauer: Das ist vielleicht so, weil wir beim Stück „Die lustige Bäuerin“ eine Shrutibox verwenden. Das ist ein indisches Begleit- oder Übungsinstrument. Wahrscheinlich erinnert der Klang ein wenig an Indien. Für uns ist das ein Zusatzinstrument, das eine Bordun-Funktion erfüllt, die wir sonst schwer umsetzen könnten. Natürlich geht das mit der Geige auch, aber die ist gerade anders beschäftigt. Unser Ziel ist nicht, dass wir indisch klingen oder die österreichische Tradition mit anderen Kulturen einfärben. sondern wir schauen eher darauf: Was sind die Gemeinsamkeiten? Was gibt es bei uns und was gibt es dort? Und wenn ein Instrument für uns Sinn macht, kommt es rein.

Warum ist auch Skandinavien ein Bezugspunkt für die neue CD?

Julia Lacherstorfer: Das hat die einfache Erklärung, dass es dort Musik gibt, die uns anzieht. Und dort gibt es schon lange eine frische und dynamische Szene und es gibt ganz viele, die an der Schnittstelle zwischen zeitgenössischer Musik und Volksmusik oder auch Jazz und Volksmusik stehen. Das ist auch eine Inspirationsquelle für den Umgang mit unseren traditionellen Stücken. Ich habe das Gefühl, dass das in der nordischen Szene gut gelingt. Auch das Erzeugen von sphärischen Klängen sagt uns sehr zu und das nimmt ein wenig von der Rauheit, die in unserer Volksmusik auch drinnen liegt.

Bela Bartók hat für seine Kompositionen immer wieder traditionelle Volksmusik als Referenz verwendet. Wie und warum haben Sie Bartók in die CD „Bergen“ integriert?

Simon Zöchbauer: Bartók ist eben jemand, der ganz viele Ideen aus Traditionen schöpft und von dieser Basis aus entwickelt er Traditionen weiter oder bleibt sehr nahe an der Tradition. Das fließt bei seinen Kompositionen immer ein. Er ist auch einer der ersten Volksmusikforscher und allein wegen seines Zuganges war es für uns naheliegend, ihn zu interpretieren. Bei Bartók ist sehr schön zu sehen, was in der Verarbeitung von Volksmusiktraditionen möglich ist

Das heißt, dass Sie auch in dieser Reihe stehen?

Simon Zöchbauer: Ich glaube, der Zugang ist sehr ähnlich, aber wir sind – in dem Stadium, in dem wir uns jetzt befinden – mehr Ausführende als KomponistInnen. Bartók war in erster Linie Komponist für symphonische Werke und kleinere Besetzungen. Wir sind jetzt in erster Linie MusikerInnen und aus dem heraus ergibt sich, dass wir komponieren.

Was wäre denn ein Erfolg für das neue Album?

Julia Lacherstorfer: Ich hätte mir die Bestenliste „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ gewünscht, aber ich glaube wir waren zu spät dran und haben die CD gar nicht eingereicht. Darum gibt es die Bestenliste für uns nicht. Eine Auszeichnung ist schön, aber in Wirklichkeit macht es uns genauso viel Freude, wenn wir merken, dass wir viele CD-Bestellungen bekommen und viele Rückmeldungen. Die Leute schreiben uns ganz oft, dass die Musik sie glücklich macht und dass die Kinder die Musik lieben und das ist genauso schön. Wenn sich Leute dafür bedanken, dass wir existieren, ist das ein total schönes Kompliment.

Kommt es vor, dass Sie bei einem Spaziergang durch den Wald – wie am Cover der CD abgebildet – einfach mal jodeln oder miteinander singen?

Simon Zöchbauer: Ja, manchmal singen wir schon. Etwa vor kurzem, da waren wir an einem Bach spazieren. Früher haben wir bei jeder Gelegenheit gejodelt. Jetzt, wo wir das beruflich machen, haben wir das Jodeln ins Konzert ausgelagert. Aber es ist schon etwas, was neben der Arbeit oder bei einem Spaziergang passiert – ja, das kommt schon vor.

Danke für das Interview.

Jürgen Plank
https://www.musicaustria.at/ramsch-rosen-im-mica-interview

Sie sind ein privates Paar, treten als Duo Ramsch & Rosen auf und haben ab dem Sommer 2018 die Intendanz des wellenklaenge-Festivals in Lunz am See inne: Julia Lacherstorfer und Simon Zöchbauer, ehemalige Studierende der mdw, erzählen im Gespräch mit dem mdw-Magazin, wie es sich als Künstlerpaar am Stadtrand von Wien lebt und warum sie sich für Privates oft ganz bewusst Zeit nehmen müssen – und sie zeigen, dass zwei Kreative nicht eine(r) zu viel sind. {…}

Von Musik durchdrungen

Das Duo Ramsch und Rosen liebt Zeitreisen. Auch auf ihrem zweiten Album „Bergen“ (Lotus) haben Julia Lacherstorfer und Simon Zöchbauer wieder die Dachböden österreichischer volksmusikalischer Vergangenheiten durchsucht, Traditionelles aus dem 18. bis 20. Jahrhundert hervorgeholt und neu arrangiert – wobei auch Stücke Béla Bartóks und Eigenkompositionen zu hören sind. Lacherstorfer und Zöchbauer spinnen die alten Texte weiter und lassen Weltmusiken etwa aus Schweden einfließen, ohne vergessen zu machen, dass es sich hier um uralte Jodler und Tänze handelt. Mit ihren klaren, wunderbar zueinander passenden Stimmen loten sie Höhen und Tiefen aus, die sie, je nach Stück, mit Geige, Bratsche, Zither, Trompete, Flügelhorn und anderem instrumentieren. {…}

https://www.falter.at/zeitung/20161123/von-dachboeden-wohnzimmern-und-der-wildnis

Amongst old paintings and manuscripts RAMSCH & ROSEN (engl. Rummage & Roses) search for old tunes. A layer of dust carefully wiped away and what they discover usually turns out to be a treasure. Gems to the heart, ears and mind – and maybe just a hint of kitsch.

The violin echoing tunes from the alps – sighing and cheering – flying above the zither, parts mingling, voices crackling, yodelling, and finally bursting into hilarious cheering encouraging the audience’s hearts to leap for joy …

Ramsch & Rosen released their first album „Bellver“ in march 2014, their second record „Bergen“ was released in October 2016.

Since autumn 2016, Ramsch & Rosen is also playing with Lukas Kranzelbinder (double bass) and David Six (piano) as „Ramsch & Rosen Quartet“.

Programs: Current program: „Bergen“ | Ramsch & Rosen Quartet: „Expanda“ | Ramsch & Rosen and Die Strottern: „12 letzte Lieder“

Concerts – Jazzclub Porgy&Bess (Wien), Kulturschloss Traun, Schrammelklang Festival Litschau, Ö1 Charity Bühne (Wien), Halleiner Festwochen, Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, ECHT:Festival Kunstbox, Sargfabrik, Sprudel Sprudel & Musik, Wiener Musikverein

Media profile – Ö1 „CD of the day“ on the 27th of September 2016, ORF- Mei liabste Weis, Servus TV – Hoagascht

Ramsch & Rosen is not only about the courage of bringing together different styles. It’s also about having a delicate intuition for what’s possible – and both musicians do. And it’s about being curious of what you’ll come across on the way. (…)
A sensitive search for traces. Ramsch & Rosen make a lot more than new folk music. Julia Lacherstorfer & Simon Zöchbauer are amongst the most innovative musicians in Austria when it comes to dealing with traditional music in creative ways.
(Albert Hosp / Radio DJ & journalist Ö1/ORF, programm on radio Ö1 on 27.09.16, presenting the album „Bergen“

Ramsch & Rosen’s music is building stunningly beautiful bridges between the past and the present, thus opening the borders between tradition and modernity. The styles are interlaced in a way that breathes an enormous musical diversity. (…) Ramsch & Rosen bring us a folk music where local influences are interwoven with sounds from very different worlds in the most beautiful manner.  In doing so, they let their unique music flourish in an exciting and impressive way.
(Michael Ternai, Music Information Center Austria; review of „Bergen“)

https://www.divertedmusic.at/en/ramsch-und-rosen

Verführung oder Vergewaltigung? Julia Lacherstorfer spricht über „Ganymed Female“ im Kunsthistorischen Museum.

Ein Seufzen geht durch den Raum – besser gesagt: viele Seufzer, laute Atemzüge und Ächzer. Sie schwellen zum Summen an, schließlich zum Singen. Auch die Trompete schnaubt unheilvoll, während die Geige ihre gerade noch wunderschönen Klänge gegen ein Reißen und Kratzen eintauscht. Schmerz? Angst? Kampf? Julia Lacherstorfer kniet mit ihrer Geige auf dem Boden des Saals III im Kunsthistorischen Museum Wien, umgeben von prachtvollen Renaissancegemälden, die hauptsächlich Mutter Maria samt Kind zeigen. Simon Zöchbauer hat sich vor ihr aufgebaut und bläst die Trompete. Ramsch und Rosen heißen die beiden als musikalisches Duo, das Freunden der zeitgenössischen kunstvollen, feinsinnigen Volksmusik schon lang ein Begriff ist. Die Sänger des Vokalensembles Company of Music geben die Gesangs- und Geräuschkulisse für „Nebel“, so der Titel der Performance, die Ramsch und Rosen für das Projekt „Ganymed Female“ entwickelt haben. Die Inspiration zu der Szene stammt vom Gemälde „Jupiter und Io“ des Italieners Antonio da Correggio: Er war mit seinem Bild „Die Entführung des Ganymed“ schon Impulsgeber für die allererste Show, die 2011 im Kunsthistorischen Museum Wien über die Bühne bzw. den glatt gebohnerten Museumsboden ging.

Stationentheater. Denn die „Ganymed“-Serie von der Gruppe „Wenn es so weit ist“ unter der Leitung von Regisseurin Jacqueline Kornmüller und Schauspieler und Produzent Peter Wolf läuft seit 2011. Damals luden sie für „Ganymed Boarding“, so der Titel der ersten Ausgabe, 16 Autoren und Autorinnen ein, Texte zu Werken ihrer Wahl der Gemäldegalerie im KHM zu schreiben. 16 Schauspielerinnen und Schauspieler erweckten diese Texte dann vor Ort zum Leben. Ein Stationentheater, bei dem das Publikum selbst entscheidet, wo und wie lang es zusehen mag. Inzwischen wurde das Projekt um Choreografen und Komponisten erweitert, dementsprechend treten neben Schauspielern auch Tänzer und Musiker auf.

Chimamanda Ngozi Adichies berührender TED-Talk „We should all be Feminists“ hat Wolf und Kornmüller inspiriert, Feminismus und Geschlechterverhältnisse diesmal als Ausgangspunkt zu nehmen. „Feminismus spielt wieder eine große Rolle, nachdem eine Zeit lang kaum jemand davon gesprochen hat“, meint Peter Wolf.

Adichies Text ist mit von der Partie und wird von Katharina Stemberger zu Tizians Meisterwerk „Mädchen im Pelz“ gegeben, das nicht weit von Correggios „Jupiter und Io“ hängt. Das hohe, schmale Gemälde thematsiert die Geschichte von Io, die vor Jupiters Begehren davonlaufen will. Der römische Obergott hält von „Nein heißt nein“ aber nicht viel und schickt dunklen Nebel, um die Flucht der jungen Frau zu hemmen. Was dann passiert, wird oft als eine Art nicht ganz freiwilliger Liebesvereinigung beschrieben. „Was Correggio da zeigt, ist eine Vergewaltigung, zwar arbeitet Jupiter hier mit dekorativem Nebel, aber dadurch verschwimmen die grausamen Details in einer Grauzone. Heute würde einem das vielleicht wie eine Art Betäubung erscheinen, die das Objekt der Begierde willig machen soll“, sagt Jacqueline Kornmüller. Die Musikerinnen, die gerade im menschenleeren Museum proben, lauschen ihren Ausführungen. Kornmüller erzählt von Entführung, Vergewaltigung, Nötigung. „Jupiter hat ständig solche Sachen gemacht.“ Darum pocht die Regisseurin auch darauf, dass die Grausamkeit der Tat in der Performance erfahrbar wird.
Simon Zöchbauer hat das mit seiner Komposition versucht, Julia Lacherstorfer setzt ihr Geigenspiel ein, um Verzweiflung zu zeigen. Sie selbst ordnet die Geschehnisse aber anders ein: „Ich habe das nicht als Vergewaltigungsszene interpretiert, sondern eher als Verführung. Das Bild empfinde ich beinahe als liebevoll, wie die Nebelpranken sie umfangen, das erscheint mir sehr weich.“ Was sie allerdings schon stark spüre, sei die Anziehung und gleichzeitige Abstoßung. Etwas, was man empfinde, obwohl man es nicht möchte. Den Fokus auf die gewalttägige männliche Machtfantasie zu legen war zunächst nicht einfach: „Es war anfangs ein unangenehmes Gefühl, dass ich so in der Mitte sitze, umringt vom Männerchor, und weiß: Man soll hören und spüren, dass eine Vergewaltigung stattfindet. Zu Beginn der Proben war das schwierig.“ Ihr Weg, damit umzugehen: In die Musik eintauchen, einen tranceähnlichen Zustand finden und so die Gefühle künstlerisch umsetzen. „Es ist sehr intensiv“, bestätigt sie.

Raus aus der Komfortzone. Ob ihre Szene feministisch ist, darüber lässt sich streiten, findet die 31-Jährige, da kein Widerstand gegen die Gewalt aufgezeigt wird. Allerdings war es wohl kaum möglich, gegen etwas anzukämpfen, was sich der Göttervater in den Kopf gesetzt hatte. Insofern kann auch das schlichte Präsentieren und Benennen weiblicher Realitäten feministisch sein. Darunter fällt auch, zu zeigen, wie das Geschlechterverhältnis im Museum ist: Das Inventar der Gemäldegalerie zählt 679 Maler und acht Malerinnen. An den 15 Stationen von „Ganymed Female“ wirken dafür weit mehr Frauen als Männer mit. Literarische Beiträge kommen etwa auch von Zadie Smith, Ana Kim und Veronica Buckley, gespielt, musiziert und getanzt wird unter anderem von den Stemberger-Schwestern, Petra Morzé und Marino Formenti. Auf künstlerischer Seite empfindet Julia Lacherstorfer das Projekt als „Gratwanderung zwischen musikalischem und szenischem Anspruch. Es ist im positiven Sinn eine riesige Herausforderung, weil man Dinge macht, die man eigentlich nicht so machen will. Man muss sich aus der Komfortzone hinausbegeben.“ Die Zuschauer müssen das eventuell auch, denn so manche Szene des „Ganymed Female“-Projekts fordert zum Mitmachen oder zumindest zum besonderen Sicheinlassen auf. Und sei es nur durch Mitatmen.

https://www.diepresse.com/5167211/ganymed-female-renaissance-des-feminismus

Auszeichnungen von Ramsch & Rosen